Montag, 26. April 2010

LAP Outreach - Eine Woche im Busch

(sara) Das „Live Abundant Primary Health Care Programm“ (LAP) ist ein Zweig des CBC-Health Boards, der für die primäre Gesundheitsversorgung in abgelegenen Dörfern verantwortlich ist. Dieses Programm ist in den letzten Jahren zu einer erheblichen Grösse herangewachsen. Das LAP hat neun Regionsverantworliche. Diese supervisieren 52 primäre Gesundheitszentren und besuchen 79 weitere Dörfer für Konsultationen und Impfungen.
Ein wichtiges Ziel der Arbeit ist es, die Dorfgemeinschaft zu bevollmächtigen selber wesentlich für ihre Gesundheitsversorgung beitragen zu können (Community Empowerment, Participation and Ownership). Somit werden nicht direkt vom LAP Gesundheitszentren in Dörfern errichtet und betreut, sondern die Dorfgemeinschaft wird in sämtliche Schritte mit einbezogen. Dieser Prozess beginnt gewöhnlich mit Evaluationsbesuchen des Regionsverantworlichen. Er unterrichtet die Dorfgemeinschaft in Hygiene und Krankheitsprävention und diskutiert mit ihnen die Möglichkeit der Errichtung einer Krankenstation in ihrem Dorf. Falls dies einem Bedürfniss der Bevölkerung entspricht, wird ein Krankenstations-Komitee gegründet. Dieses ist dann dafür verantwortlich, das nötige Geld von den Einwohner aufzutreiben, ein Gebäude für das Gesundheitszentrum zu errichten und Kandidaten für den Posten als Dorf –Gesundheits-Arbeiter zu ernennen. Die Kandidaten werden geprüft und wer am besten abschneidet wird vom LAP ausgebildet. Der/die Dorf – Gesundheits-Arbeiterin ist anschliessend für die Versorgung von Patienten mit häufigen Krankheiten sowie Malaria, Durchfall, Würmer usw. verantwortlich. Kompliziertere Fälle werden, falls möglich, dem nächst gelegenen Spital zugewiesen. Zudem wird eine Frau pro Dorf als einfache Hebamme geschult und betreut anschliessend Schwangere Frauen und leitet unkomplizierte Geburten. In regelmässigen Abständen werden diese Krankenstationen von dem Supervisor besucht, anhand der Dokumentation die Qualität der Patientenbetreuung evaluiert und Gesundheitsverantwortlichen und Hebamme weitergebildet.
Victor, der Fahrer, ich und David Kaibo der der Verantwortliche
der Ndu 2 Region (von LAP Outreach)
Ich hatte die Möglichkeit Mr. David Kaibo, den Verantwortlichen der Ndu 2 Region vom 16.04. - 22.04 auf einem solchen Unterstützungsbesuch zu begleiten:
Mit einem Jeep fuhren wir am ersten Tag auf holprigen staubigen Naturstrassen nach Koffa – Der Weg führte über mehrere steile Pässe, wo mir beim Anblick eines bevorstehenden felsigen Wegstücks und Ausblick direkt neben der Strasse mehr als hundert Meter fast senkrecht hinunter ins Tal mehrmals der Atem stockte.
Nach einer ermüdenden Autofahrt verbrachten wir die Nacht im Haus des Pfarrers von einer der ältesten CBC-Kirchen.
Fahr nach Kom (von LAP Outreach)
Am nächsten Tag ging es zu Fuss weiter nach Adere, nahe der Grenze zu Nigeria. Wir hatten 6 Träger für unser Gepäck und Medikamente, die wir mitbrachten. Obwohl die 4 Trägerinnen und 2 Träger schlanke und eher klein gewachsene Teenager waren, trugen sie Lasten von ca. 20 kg auf ihrem Kopf oder den Schultern. Mein anfängliches Erbarmen mit ihnen verfloss jedoch als ich Mühe hatte überhaupt mit ihnen Schritt zu halten. Wir rannten über zahlreiche kleine Hügel und überquerten manchen Graben.
Treck von Kom nach Adere (von LAP Outreach)
Um 11.00 als die Sonne erbarmungslos senkreckt auf uns hinab brannte, stand uns ein steiler Aufstieg bevor. Mühsam kämpfte ich mich Schritt für Schritt aufwärts. Vom Gipfel aus hatten wir gute Aussicht auf Adere, das tief unten in einem Talkessel liegt. Der Abstieg war steil und beschwerlich. Ich fragte mich oft, wie es die Träger fertig brachten dabei das Gepäck auf ihrem Kopf auszubalancieren.
Blick vom Berg hinunter auf Adere (von LAP Outreach)
Im Tal angekommen litt ich unter dem für mich ungewohnt sehr heissen und extrem feuchten Klima. Mein Atem ging schwer und jeder Schritt war eine Anstrengung, obwohl der Weg meist relativ eben war. Als wir endlich das Gesundheitszentrum erreichten, zog ich mich in den kühlsten Raum zurück und legte mich auf den einigermassen kühlen Betonboden. Die Gesundheitshelferin brachte mir kühles Wasser aus dem Fluss. Nur die braune Farbe hielt mich glücklicherweise vom Trinken zurück, denn ich war sehr durstig und hatte all mein Trinkwasser aufgebraucht. Von einem Träger wurde ich mit einigen Stücken Ananas versorgt, was mich erfrischte.
Gesundheitszentrum in Adere (von LAP Outreach)
Eine halbe Stunde nach unserer Ankunft fiel ein kurzer aber heftiger Regen, welcher Abkühlung brachte und meine Lebensgeister neu weckte.
Dies war dringend notwendig; denn nach dem sechsstündigen erschöpfenden Marsch blieb keine Zeit zum Ausruhen. Es wurde bereits die erste Patientin in sehr ernstem Zustand gebracht. Sie hatte die klinischen Zeichen einer Hirnhautentzündung und war ausgetrocknet. Wir hatten einige wenige Infusionen sowie Antibiotika für intravenöse Verabreichung (i.v)dabei und begannen die Therapie.
Am späteren Abend half ich der Dorfhebamme bei einer problemlosen Geburt eines Mädchens. Für die Mutter war es etwas Besonderes von einer Weissen betreut zu werden, so dass ihr Mädchen nach mir benannte.
Klein Sara (von LAP Outreach)
Für mich wurde ein Zimmer im Gesundheitszentrum hergerichtet. Da die zwei anderen Betten nun von Patienten belegt waren, wurden Mr. Kaibo und Viktor (der Fahrer) bei einem Komitee-Mitglied beherbergt. Somit war ich verantwortlich für die Patienten, wechselte die Infusionen, verabreichte i.v.-Medikamente und überwachte die Mutter, welche nach der Geburt relativ stark blutete und einen tiefen Blutdruck hatte regelmässig. Ich habe kaum ein Auge zugetan...

Am nächsten Morgen entliessen wir die Patientin mit Hirnhautentzündung in etwas gebessertem Zustand. Aufgrund ihrer Anamnese vermutete ich Tuberkulose oder Parasiten als Ursache der Hirnhautentzündung, was wir im Dorf nicht behandeln konnten. Wir wiesen deshalb die Angehörigen an die Patientin in ein Spital zu bringen.
Impfaktion in Adere (von LAP Outreach)
Mr. Kaibo führte vormittags die Routine-Impfungen für Kinder und Tetanus-Impfungen für Schwangere durch. Ich konsultierte mit der Hilfe der Dorf-Gesundheitsverantwortlichen als Übersetzerin ca. 15 ambulante Patienten. Mehr als die Hälfte davon waren Kinder unter 5 Jahren mit Malaria oder blutigem Durchfall und Austrocknung. Die meisten Patienten wurden nach getaner Feldarbeit gegen Abend gebracht. Die Konsultationen dauerten relativ lange wegen Übersetzungsschwierigkeiten und meinem Einbezug der Gesundheitsverantwortlichen, die ich weiterbilden wollte. Nebst der Konsultation waren wir auch für die Registrierung, Bezahlung und Medikamentenausgabe verantwortlich. Somit endeten wir erst gegen 20.00 Uhr.

Ich hatte zudem eine weitere stationäre Patientin- ein 9 jähriges Mädchen mit einer schweren Lungenentzündung das i.v. Antibiotika benötigte. Das Neugeborene hatte Schnupfen und deshalb Probleme mit der Atmung und entwickelte Fieber. Ich gab Antibiotika-Sirup und kreierte Nasentropen mit NACL von der Infusion des Mädchens. Dies verbesserte die Atmung des Neugeborenen rasch. Von Mitternacht an hatte ich Ruhe und genoss einige Stunden Schlaf am Stück.

Am nächsten Morgen entliess ich beide Patienten in stark gebessertem Zustand und sah einen weiteren kleinen Knaben mit schwerer Austrocknung wegen Durchfall. Leider hatten wir nun keine Infusionen mehr, somit verabreichten wir ihm orale Rehydrationsflüssigkeit, was der Knabe glücklicherweise gut tolerierte.

Anschliessend ging es mit einiger „Verspätung“ zur Kirche, wo ich einen typischen afrikanischen Gottesdienst erlebte. Ich war beeindruckt von der Leidenschaft und Ausdauer mit welcher die Afrikaner Gott lobten, während dem ich meistens regungslos auf der Bank sass und einmal mehr unter der Hitze litt.

Es hatte sich inzwischen herumgesprochen, dass ein weisser Doktor in Adere ist und Patienten kamen von weit her (sogar von Nigeria) um mich zu sehen. Ich konsultierte wiederum etwa 15 Patienten. Die Gesundheitsverantwortliche und ich waren nun bereits etwas besser organisiert und arbeiteten viel speditiver zusammen. Somit blieb am frühen Abend etwas Zeit um den Sonntagsmarkt zu besuchen.
Am Abend fand dann ein langes Komitee-Treffen statt. Die Verantwortlichen von Adere für das Gesundheitszentrum diskutierten angeregt zahlreiche Probleme. David Kaibo und ich versuchten die Leute zu motivieren trotz diesen Schwierigkeiten nicht den Mut zu verlieren und ihre Projekte weiterzuverfolgen.

Während dem David Kaibo am späteren Abend Statistiken erstellte, Medikamente für das Gesundheitszentrum aushändigte und abrechnete, war ich mit dem Filtern von Trinkwasser beschäftigt, was gut zwei Stunden beanspruchte. Anschliessend war Packen angesagt. Erst um 1.00 Uhr morgens legten wir uns für einige Stunden hin.

Am nächsten Morgen starteten wir um 7.30 Uhr, um den Anstieg noch während den kühleren Morgenstunden zurücklegen zu können. Diesmal wurden wir von etwas älteren Trägern begleitet, welche ein angenehmeres Marschtempo anschlugen. Zudem folgten wir nun dem Hauptweg mit weniger Höhenunterschied. Gegen Mittag wurde das Wandern unter der brennen Sonne wieder qualvoller. Ich war aber überrascht als wir bereits um 12.30 Uhr Kom erreichten. Es blieb etwas Zeit den Markt zu besuchen und zu essen.
Markt in Kom (von LAP Outreach)
Nach einem heftigen Regensturm setzten wir unsere Reise mit dem Jeep fort nach Bitui.
Wir mussten dabei einen Fluss überqueren und nach dem heftigen Regen war es unsicher ob dies mit dem Auto möglich sei. Andernfalls stand ein weiterer stündiger Marsch bergauf bevor. Nach einem kurzen Stossgebet wagten wir die Durchquerung. Victor lenkte das Fahrzeug sicher ans andere Ufer.
Flussdurchquerung (von LAP Outreach)
Als wir in Bitui eintrafen wurden wir von den Kindern und Erwachsenen umringt. Alle wollten uns persönlich begrüssen. Von zahlreichen Frauen wurde ich fest an ihr Herz gedrückt. Die Kinder und jüngeren Frauen vollführten richtige Freudentänze. Ich war von dieser warmherzigen Begrüssung überwältigt.
Isaac ein Komitee-Mitglied hat für uns die Zimmer bereitet. Die Frauen eilten in ihre Häuser und brachten Lebensmittel und bereiteten warmes Wasser für eine „Dusche“ vor - eine Wohltat nach einem langen Tag. Nach dieser kurzen Zeit alleine, wurde ich erneut von Leuten umringt und gedrückt. Der Besucherstrom hielt an bis um 9.30 das Abendessen für uns serviert wurde. Nach einer anschliessenden Andacht fiel ich erschöpft aber glücklich zu Bett.

Um 5.30 wurde ich von der Köchin geweckt, welche den Lehmboden in meinem Zimmer mit Wasser besprengte und wischte. An Schlaf war nicht mehr zu denken. So stand ich auf und genoss die kühlen Morgenstunden um ein wenig das Dorf zu erkunden: Bitui liegt an einem Hang und hat etwa 200-300 Einwohner mit mehr als 100 Kindern. Die Einwohner leben fast ausschliesslich von der Landwirtschaft. Die steilen Felder werden mühsam von Hand bebaut. Den verschlissenen Kleidung und der Einfachheit der Häuser mit vorwiegend traditionellen Grasdächern ist die Armut dieses Dorfes anzusehen. Die meisten kleineren Kinder, welche mich umringten und auf Schritt und Tritt begleiteten hatten Hungerbäuche. Die Kinder wirkten aber aufgestellt und einige Knaben rannten mit den traditionellen Holzspielzeugen umher. Bereits 5-jährige Knirpse trugen ihre jüngeren Geschwister am Rücken. Meine Kamera war der Hit. Von den Kleinkindern bis zu den Teenagern versuchten sich alle in komischen Positionen um dies auf den Bildern zu bewundern und von Herzen für mehrere Minuten darüber zu lachen. Diese Lebensfreude wirkte einfach ansteckend. Und so vergass ich meine Müdigkeit.
Kinder in Bitui (von LAP Outreach)
Das Gesundheitszentrum wurde erst diesen Februar eröffnet und die Einwohner von Bitui sind sehr stolz darauf. Der Andrang für die Gesundheitslektion und anschliessende Impfung war erfreulich. Bereits um 7 Uhr versammelte sich eine erhebliche Schar an Schwangeren und Mütter mit ihren kleinen Kindern. Geduldig warten sie, bis wir -wie angekündigt - um 7.45 Uhr mit einer Kurzandacht begannen. Nach der Gesundheitslektion wurden die Kinder registriert, gewogen und die entsprechenden Impfungen vorgenommen.
Gesundheitslektion (von LAP Outreach)
Meine Aufgabe bestand wiederum darin Patienten zu konsultieren und Florence, die Gesundheitsarbeiterin, zu motivieren und weiterzubilden. Florence war sehr schüchtern und noch unsicher, aber bereit sich einzusetzen. Da wir erhebliche Verständigungsprobleme hatten, half Isaac bei der Übersetzung. Während den zwei Arbeitstagen in Bitui sah ich wiederum etwa 15 Patienten pro Tag. Ich war überrascht wie stark sich die Konsultationsgründe von denen in Adere unterschieden. Ich sah vorwiegend Frauen zwischen 20-40 mit chronischen Rückenschmerzen und Kopfschmerzen von der harten Arbeit, Blutarmut und drei Fälle von Gonorrhö (Geschlechtskrankheit)und ältere Patienten mit schwerer Arthrose, Schenkelhalsbruch und Bluthochdruck. Die meisten dieser Leute hatten kaum Geld und mussten zuerst auf dem Mark eines ihrer Hühner verkaufen um überhaupt einige Medikamente kaufen zu können. Etliche von ihnen brachten dann noch ein Extra-Geschenk (Mango, Zuckerrohr, Ananas) Dies hat mir jeweils fast das Herz gebrochen. Gerne hätte ich ihnen diese Geschenke abgekauft. Dies hätte sie aber beleidigt.

Ich fragte mich, wo all die Kinder mit ihren Hungerbäuchen geblieben sind. Da dies so verbreitet ist, wird es von der Bevölkerung wahrscheinlich als normal betrachtet.
Bei den Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen gewann ich den Eindruck dass die Kindersterblichkeit hoch ist. Von den sieben Schwangeren die wir sahen, waren die meisten zum fünften – achten Mal schwanger, aber nur die Hälfte der geborenen Kinder lebte noch.
Am letzten Morgen im Dorf wurde ein Kind zu mir gebracht mit durch Malaria verursachter schwerer Blutarmut. Das Mädchen war bereits einige Tage krank. Als ich fragte, warum sie dann nicht früher gekommen seien antwortete der Vater mir, dass er zuvor das Geld auftreiben musste. Dies verdeutlicht die Not dieser liebenswerten Dorfbevölkerung.

Der Abschied in Bitui war rührend. Alle waren anwesend um uns persönlich zu verabschieden. Etliche Frauen brachten wertvolle Abschiedsgeschenke vorbei: Salz, Getreide, Mais und sogar drei grosse Teile eines Huhns das für uns geschlachtet wurde. Florence und mir standen die Tränen in den Augen bei der langen Abschiedsumarmung.
Kinder in Bitui (von LAP Outreach)
Wenn Viktor nicht zur Abfahr gedrängt hätte, hätte ich mich wahrscheinlich bis zum Mittag nicht von diesen lieben Leuten von Bitui losreissen können. Da es während der ganzen Nacht stark geregnet hatte, befürchtete Viktor, dass es schwierig oder gar unmöglich sei den Fluss mit dem Auto zu durchqueren. Wir haben unterwegs starke Männer eingeladen um allenfalls den Jeep stossen zu können. Das Wasser stand dann tatsächlich höher und war braun. Während der Durchquerung des Flusses heulte der Motor mehrere Male auf und die Räder spulten im Leeren. Aber wir erreichten das andere Ufer sicher.
In Koffa, liessen wir David Kaibo mit den Medikamenten und einem Schweizer Sackmesser zurück. Viktor brachte mich sicher zurück nach Kumbo.

Ich bin erschöpft von dieser Woche und habe Magendarmbeschwerden; bin aber sehr glücklich und dankbar für diese Erfahrung und die vielen Eindrücke. Ich habe die Härte des Dorflebens ohne fliessend Wasser, Strom und Kommunikationsmöglichkeiten ein wenig kennen gelernt: Während einer Woche habe ich mich mit Wasser aus dem Fluss gewaschen, ein Plumpsklo benutzt, mein Trinkwasser gefiltert und zum Frühstück, Mittag- und Abendessen Fufu und ein Stück Fleisch gegessen. Ich bin mir bewusst, dass wir mit dem Fleisch sehr verwöhnt wurden. Den Einheimischen wird dies nur bei besonderen Gelegenheiten serviert. Die harte Arbeit wurde uns zudem abgenommen. Wir wurden bekocht und das Wasser zum Waschen wurde von unseren Gastgeberinnen vom Fluss herbeigeschleppt, und gewärmt.
Douche (von LAP Outreach)
Ich bewundere die Frauen des Dorfes, wie sie Tag für Tag ohne Murren ihre harte körperliche Arbeit verrichten. Dies stimmt mich dankbarer für all den Luxus den ich hier in Mbingo habe.
Der LAP-Outreach hat mir neu die medizinischen Bedürfnisse der Bevölkerung in abgelegenen ländlichen Gebieten aufzeigt und mein Interesse an dieser Arbeit. (Primary Heilt Care) geweckt.

Mittwoch, 14. April 2010

Von der Assistenzärztin zur „stellvertretenden Chefärztin“ in weniger als 2 Monaten

(sara) Ab Anfang Februar wurde ich als Oberärztin eingesetzt. Ich war für die Geburtsabteilung und den medizinischen Männersaal verantwortlich. Ich hielt mit den Assistenzärzten von Montag bis Freitag tägliche Patientenvisiten, nachdem diese nach dem amerikanischen System die Patienten bereits frühmorgens visitiert haben (Pre-rounds). Meine Aufgabe besteht darin, die Betreuung der Patienten zu überwachen und die Assistenten am Patientenbett weiterzubilden.

Im Februar wurden zwei neue Ärzte direkt nach Abschluss der Universität eingestellt. Ich war für deren Einführung und Supervision zuständig. Ebenfalls war es meine Aufgabe im März zwei amerikanische Studentinnen einzuführen und zu betreuen. Diese Einführungen waren jeweils sehr zeitintensiv – insbesondere die Supervision der neuen Assistenzärzte. Ihr Wissen ist sehr mangelhaft, da die Qualität der Ausbildung an etlichen medizinischen Fakultäten in Afrika leider schlecht ist. Ihre klinische Beurteilung und der Patienten war schlechter als die der Screener Nurse Students. Somit musste ich etliche Patienten selber untersuchen, die Diagnosen neu stellen detaillierte Anweisungen für die Therapie geben.

Während Abwesenheiten von Dr. Palmer (zwei Wochen anfangs Februar und eine Woche Ende März) war ich für die Supervision sämtlicher medizinischer Abteilungen (ca. 130 Betten) und die Weiterbildung zuständig. Ich war auch verantwortlich anfallende administrativen Aufgaben als „stellvertretende Chefärztin“ zu erledigen. Es war zum Beispiel das Problem, dass das Radiologie-Departement unterbesetzt war und wir für stationäre Patienten bis zu 3 Tage auf die Durchführung der Untersuchung warten mussten. Die Röntgenassistenten haben sich dabei starr an die Reihenfolge der eingegangenen Verordnungen gehalten. Wir hatten aber einige sehr kranke, Patienten, priorisiert werden mussten, damit wir die weiteren Therapie-Entscheide treffen am selben Tag treffen konnten. So musste ich mit dem Chef des Radiologie-Departements verhandeln gehen.

Ich habe selber nur zwei Jahre klinische Erfahrung und so fühle ich mich mit meiner Verantwortung hier herausgefordert. Leider ist kaum Zeit um die zahlreichen komplizierte Fälle mit dem Chefarzt zu besprechen. Ich fühle mich für die Patienten in meinen Abteilungen verantwortlich und habe deshalb Mühe, wenn die Assistenten nicht dazu zu bringen sind kritische Patienten nachmittags erneut zu visitieren, Verläufe zu dokumentieren oder gar versäumen auf der Visite Verordnungen aufzuschreiben. Ich weiss nicht, wie viel ich tolerieren soll, da das Arbeitsverständnis hier in Kamerun anders ist als in der Schweiz - aber immerhin geht es um Menschenleben. Ich versuche deshalb meine Rollendefinition zu ändern und mich mehr als Berater, statt als verantwortlicher Arzt für die Stationen zu sehen. Mal schauen ob ich dies umsetzen kann.

Samstag, 10. April 2010

Screener Nurse Students Training Program

(sara) Ich habe bereits in einigen Einträgen die „Screener Nurse Students“ erwähnt. Hier folgt nun eine etwas detaillierte Beschreibung des „Screener Nurse Student Training Programs“, für welches ich verantwortlich bin:

„Screener Nurses“ sind Pflegende, welche aus Ärztemangel weiter ausgebildet werden, damit sie selbständig Patienten mit häufigen Erkrankungen wie Malaria, akuten Respirationstrakt-Infektionen, Durchfall, usw. konsultieren können. Das Hauptziel des Kurses ist, den Studenten die Anamnese, Untersuchungstechniken und einige häufige Punktionen sowie Diagnostik und Management von häufigen Erkrankungen beizubringen.

Diese Ausbildung wird in Mbingo bereits seit drei Jahren angeboten, jedoch war es bisher unstrukturiert. Ich habe ein Dossier mit den Lernzielen, Aufgaben und Kompetenzen der Lernenden, Regelung der Abschlussprüfung usw. verfasst. Desweiteren habe ich Skripte über die Untersuchungsmethoden zusammengestellt und die Abschlussprüfungen (praktische- und MC-Prüfung) vorbereitet.

Anfangs Jahr hat ein neuer dreimonatiger Kurs mit drei Studenten begonnen. Während den ersten 3 Wochen, dem Einführungsmodul, habe ich den Studenten die Anamnesetechnik und Untersuchungsmethoden theoretisch und praktisch beigebracht. Chrisch stand freundlicherweise als Proband für das Üben der Untersuchungsmethoden zur Verfügung.

Die Screener Nurse Studenten wurden anschliessend in die Stationsarbeit (Ward Rounds) einbezogen und erhielten von den Assistenzärzten und vorwiegend von mir direkten Unterricht am Patientenbett.

Die Studenten waren verpflichtet, täglich einen Patienten auszusuchen und die Durchführung einer kompletten Anamnese und klinischen Untersuchung zu üben, sowie diagnostische und therapeutische Pläne auszuarbeiten. Jeweils ein Student wurde nachmittags auserwählt um seinen Fall während der Unterrichtstunde von 14.00 - 15.00 Uhr zu präsentieren. Ich leitete diese Fallbesprechungen und kontrollierte anschliessend bei Bedarf fallspezifische klinische Untersuchungen am Patientenbett.

Einmal pro Woche fand eine Einstündige Weiterbildung über eine der 20 häufigsten Erkrankungen im CBC Health Board statt. Hierzu habe ich die Assistenzärzte beigezogen und supervisiert und lediglich die übrig gebliebenen Lektionen selber gehalten.

Ende März ging der „Screener Nurse“- Kurs zu Ende. Meine Schüler haben sich sehr eingesetzt und mit Bravour die praktische Prüfung bestanden. Bei der Multiple Choice Prüfung musste ich die Punktzahl zum Bestehen der Prüfung etwas herunter setzen. Alle drei haben somit die Abschlussprüfungen bestanden. Wir haben dies gebührend mit Fufu und Njamajama bei mir zu Hause gefeiert. Ich war sehr gerührt als sie eine Dankesrede hielten. Dorcas hatte dabei betont, wie sehr es alle Schüler geschätzt haben, dass Chrisch als Proband für das Üben der Untersuchungsmethoden zur Verfügung stand. Sie haben dies als Zeichen von demütigem Dienen gesehen. In unseren Augen war es nichts besonders gewesen, so war es ermutigend zu hören wie es von den Afrikanern empfunden wurde.
Screener Nurse Students (von Cameroon: Spital & Spitalgelände)

Montag, 5. April 2010

Life Abundancy Program - Banso

(chrisch) Heute morgen um 9 Uhr verliess Sara Mbingo Richtung Banso, einer Stadt rund 3,5 Stunden entfernt von hier. Sie wird morgen an einem Treffen des Life Abundancy Program (LAP) eine Weiterbildung über die neusten Vorgaben der WHO im Bereich des Integrated Management of Childhood Illness halten.
Das LAP bietet entlegenen Gebieten medizinische Grundversorgung an, die ansonsten keine Betreuung hätten. Dazu "reisen" Pflegefachleute zu den Dörfern, sei dies mit Jeep, Ross oder zu Fuss, und bieten einmal pro Monat (?) eine medizinische Versorgung an.

Wie das Program funktioniert, wer die Teilnehmer an der einwöchigen Konferenz waren und wie oft die Dörfer besucht werden, kann euch Sara sicher später einmal erzählen.
Jedenfalls wird sie die kommenden drei Wochen in Banso verbringen, wovon die letzte Woche auf einem LAP Outreach (Besuch von Dörfern). Während der letzten Woche werde ich Sara begleiten um so auch einen Einblick in diese Arbeit zu erhalten.

Samstag, 3. April 2010

Dürres Land

(sara & chrisch) Wie wir bereits mehrmals erwähnt haben, beginnt in Kamerun die Regenzeit gewöhnlich am 15. März 2010. Wir waren deshalb ein wenig erstaunt, dass es bereits am 20. Februar zum ersten Mal regnete. Wir fühlten uns ein wenig "betrogen", da die Regenzeit rund ein Monat später als normal endete und nun dieses Jahr fast einen Monat früher wieder begann.
Nun hat sich das Blatt aber gewendet und wir hatten seit gut zwei Wochen keinen Regen mehr. Dies führt nun langsam aber sicher zu Problemen. Da unser Haus am weitesten von allen vom Reservoir entfernt ist, ist der Wasserdruck oftmals sehr tief und nicht selten haben wir gar kein Wasser. Dies betrifft aber nicht nur uns, sondern alle im Spital. Damit sich das Reservoir während des Tages auffüllen kann, beschloss die Verwaltung die Wasserversorgung während des Tages zu unterbrechen - mit all den Problemen die dadurch verursacht werden.

Was bedeutet dies für uns? Am Morgen können wir oftmals nur einmal die Wasserspülung betätigen, das Duschen ist ein Glückspiel - man weiss nie wann der Wasserdruck abfällt und wir lernten, dass es sinnvoll ist jederzeit ein grosses Becken mit Wasser zur Verfügung zu haben.

Die Probleme beschränken sich aber nicht nur auf den Haushalt, nein auch in der Landwirtschaft wird es schwierig. Als der Regen so früh einsetzte, pflanzten die Bauern Bohnen, Mais und anderes Gemüse. Zu Beginn wuchsen die Pflanzen sehr gut, nun geht aber auch ihnen das Wasser aus. Wenn es nicht bald regnet werden die Pflanzen verdorren und die Bauern müssen neues Saatgut kaufen und von vorne beginnen. Dies bedeutet einen erheblichen Arbeitsaufwand und finanziellen Verlust.
Aber auch für die Tiere wird die Wasserversorgung prekär. Die Bäche auf dem Spitalgelände versiegen langsam und es hat nur noch wenige Wasserstellen für die Tiere.



So können wir nur beten und hoffen, dass der Regen bald einsetzt und dem Land und der Bevölkerung Linderung bringt.

P.S. Die Aufnahme des Kuhschädels wurde am letzten Freitag gemacht. Die Kuh starb aber nicht an den Folgen der Dürre.