Freitag, 27. November 2009

Aufgabenbereich von Chrisch

(chrisch) Sara hat euch in den letzten Blogeinträgen einen Einblick in den Spitalalltag hier in Mbingo gegeben - einige haben nun die Frage gestellt, was für Aufgaben ich habe und wie mir die Arbeit hier gefalle.

Das Spital verfügt über eine begrenzte IT Infrastruktur, die im Moment vor allem für administrative Tätigkeiten wie Briefe schreiben, Buchhaltung und für die Kommunikation via Internet verwendet wird. Aber auch hier hält der technologische Fortschritt Einzug und es bestehen Pläne, die bestehenden Systeme zu erweitern, verbessern und neue Anwendungen einzuführen. Während dem kommenden Jahr werde ich mich vor allem auf folgende drei Schwerpunkte konzentrieren:

Evaluation eines Elektronischen Patientendaten Verwaltungssystem / Spitalverwaltungssystem
Gleich nach meiner Ankunft in Bamenda erfuhr ich, dass das CBC Health Board beschlossen hat, ein System zur Verwaltung von elektronischen Patientenakten einzuführen. Ich bin natürlich sehr daran interessiert, da ich in den vergangenen Jahren einige Systeme bei Ernst & Young entwickelt und implementiert habe.
Die Anfangsfreude verflog dann aber rasch, als ich feststellte, dass es hier doch an vielem fehlt, insbesondere bei der Infrastruktur und der Ausbildung der Mitarbeiter - dazu später mehr...

Aber auch mit dem Ablauf der Evaluation bin ich nicht besonders glücklich. Gemäss meiner Ausbildung sollten zuerst die Anforderungen der Endbenutzer (Ärzte, Labor, Administration, etc.) gesammelt und priorisiert werden, damit eine klare Bewertungstabelle erstellt werden kann. Bis zum jetzigen Zeitpunkt besteht noch kein klarer Projektauftrag (aus meiner Sicht), keine Definition der Ziele und auch kein Zeitrahmen bis wann etwas von uns erwartet wird.
Ein paar Mitarbeiter besuchten vor rund einem halben Jahr ein Spital in Nord-Kamerun, das eine solche Anwendung (www.Care2x.org) im Einsatz hat. Die Präsentation und die Funktionalität der Anwendung hat sie so überzeugt, dass sie ohne weitere Abklärungen, beziehungsweise Gesprächen mit den Endbenutzern, das System einführen möchten. Ihr könnt euch sicher vorstellen dass mir da alle Haare zu Berge stehen.
In der kurzen Zeit in der wir hier sind habe ich gelernt, dass nichts so läuft wie es sollte - und dass alles sehr dynamisch ist. Wie soll also ein Computerprogramm diese Dynamik abbilden? Wie Mitarbeiter, die noch nie einen Computer gesehen haben die Anwendung bedienen? Was werden die Ärzte dazu sagen die vermutlich ganz andere Vorstellungen von einem solchen Programm haben... Und vor allem, wie soll das Spital funktionieren wenn der Strom ausfällt, der Server den Geist aufgibt? Fragen die alle noch vor der Evaluation, bzw. Implementation geklärt werden sollten.

Ausbildung der Mitarbeiter
Während des ersten Monates stellte ich fest, dass ein grosses Bedürfnis nach Weiterbildung im Computerbereich besteht. Dies betrifft sowohl Endbenutzer wie aber auch Computertechniker, bzw. Supporter (wenn man sie denn als solche bezeichnen darf).
Viele fragten mich, ob ich ihnen Weiterbildung im Computerbereich bieten könne, da sie wenige bis keine Kenntnisse haben.

Zurzeit ist Abel in Mbingo zu ca. 25% für den Computer- und Infrastrukturunterhalt zuständig. Die restlichen 75% arbeitet er als Elektriker und Techniker für Elektrogeräte. Da aber ja ein neues, wichtiges System eingeführt werden soll, ist ein guter und vor allem schneller Support bei Hard- und Softwareproblemen unabdingbar. Ich hoffe dass wir die Zeit die wir zusammen haben Sinnvoll nutzen können und ich ihm möglichst viel von meinem Wissen weitergeben kann.

Auch für die Endbenutzer möchte ich in naher Zukunft eine Weiterbildung anbieten, da dies für die Einführung des neuen Systems unabdingbar ist. Ich stehe in Kontakt mit der Spitalverwaltung und versuche einen Raum und Computer für diesen Zweck zu organisieren.

Verbesserung der Infrastruktur
Der letzte Punkt gleicht einem Fass ohne Boden. Die Infrastruktur hier im Spital ist sehr fehleranfällig, da verschiedene Faktoren den Elektrogeräten zusetzen. Zum einen sollte jedes Gerät mit einem Spannungsregulierer ausgerüstet sein, da die Spannung zum Teil zwischen 180 Volt und 260V und mehr schwankt. Diese Schwankungen zerstören über kurz oder lang jedes Netzteil und führen zu Ausfällen.

Ich habe einer Kamerunerin geholfen, deren PC ausgefallen ist. Sie brauchte unbedingt Zugriff auf eine Datei auf der Festplatte und ich erklärte mich bereit, die Festplatte auszubauen und die Datei mit Hilfe meines PCs wiederherzustellen.
Ich habe noch nie so viele Spinnweben, Rost und andere undefinierbare Dinge in einem PC gesehen - vor allem der Rost war für mich schockierend. Wir haben das Ende der Regenzeit miterlebt und die Feuchtigkeit im Haus bemerkt, aber dass ein PC gleich rostet, wer hätte das gedacht!

Weiter besteht das Problem, dass Ersatzteile nur sehr schwer zu erhalten sind. Ein Ersatz einer Festplatte oder eines Netzteils kann gut eine Woche dauern. Zuerst muss ein Antrag an die Spitalverwaltung geschrieben werden, mit der Begründung warum ein Teil ersetzt werden muss. Nachdem der Antrag bewilligt wurde muss Geld organisiert werden. Sofern es sich um einen kleinen Betrag handelt (Abel musste dringend das RAM (Computerspeicher) ersetzten, da unser Proxyserver (verwaltet den Internetzugang) ausgefallen ist. Das erste Ersatzteil war defekt, das zweite Ersatzteil aus irgendeinem Grund nicht kompatibel zu unserem System... wir haben schlussendlich den Speicherbaustein mit einem anderen Computer getauscht und konnten so das Problem lösen.

Falls nun aber das Spital ein Verwaltungssystem einführt welches zentral und wichtig ist, dass ohne dies nichts mehr läuft, muss sichergestellt werden dass es zu jeder Zeit verfügbar, oder zumindest innerhalb von Stunden reparierbar ist.

Ich merke dass ich viel geschrieben, aber wenig gesagt habe... nun, was möchte ich verbessern?
Zurzeit laufen Bestrebungen ein Wireless Network von Bamenda nach Mbingo einzurichten. Dies würde mittels einer Richtstrahlantenne und 2.4Ghz Sendern gemacht. Ziel dieses Aufbaus ist die Geschwindigkeit des Internets um rund 50% zu verbessern und um die Kosten um gut einen Drittel zu senken. Aktuell verwenden wir VSat (1Mbit/sec mit 1:8 Aufteilung für rund USD900) und möchten dies nun durch ein WiMax Abo (sowas wie das Swisscom Datenabo) ersetzten.

Weiter muss der Proxyserver so rasch als möglich ersetzt und die komplette Infrastruktur dokumentiert werden (Installationen, Setup, etc.).

Und wenn dies alles gemacht ist, möchte ich einen File- oder Intranetserver einrichten, damit erste Erfahrungen betreffend Verfügbarkeit, Datensicherung und Systemwiederherstellung gesammelt werden können.


Nebst den obigen Punkten versuche ich mich aber auch als Service Techniker für Notebooks und PCs. Ich mutierte zum inoffiziellen Service Desk für alle möglichen PC Probleme wie zum Beispiel Antivirus, Wiederherstellung von Daten oder einfach nur Aufräumen von Programmen, damit der PC wieder schneller läuft.

Vor kurzem habe ich ein Dell Notebook nur mit meinem Victorinox Cybertool Messer auseinander genommen und wieder zusammengesetzt. Dieses Messer ist vermutlich das Beste Werkzeug das ich hier in Kamerun habe. Ich kann mir fast nicht vorstellen was ich ohne dies machen würde.

5 Kommentare:

  1. Wie ich sehe ist das Gebetsanliegen für Chrisch voll in Erfüllung gegangen! Spannend ist wahrscheinlich nur der Vorname ;-)
    Wie gehts euch? Hoffe, dass wir bald wieder mal Skypen können

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  2. Hi Christoph,
    klingt super-interessant. Ich höre regelmäßig den Tech Podcast von theworld.org (http://www.theworld.org/technology-podcast), der sich fast jedesmal mit "low-tech" und interessanten Lösungen für entlegenere Gebiete befasst, und fühlte mich bei Deinem Bericht sofort an die vielen Beiträge erinnert...
    Vielleicht solltest Du die ganze Orga erst mal auf Papier zum Laufen bringen?
    Grüße
    Alex

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  3. Ja, es ist wirklich sehr spannend und herausfordernd. Die Abläufe im Spital sind äusserst dynamisch und passen sich laufend den Gegebenheiten an – etwas das für ein Computerprogramm den Tod bedeutet.
    Weiter besteht das Problem, dass jede Abteilung nur ihre Interessen sieht und wenige bis keine Konzessionen machen will. Jeder möchte ein Big Man sein und bestimmen was geht – TIA (This is Africa).

    Ein weiteres Beispiel ist der Computer Kurs den ich anbieten möchte. Ich habe herausgefunden, dass die Schule PCs hat welche für diesen Zweck verwendet werden könnten. Nun, es sind ca. 5 Personen involviert die mir dazu die Erlaubnis geben müssen – ihr könnt euch vorstellen dass dies dauert und ich nicht vom Fleck komme.

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  4. Chrisch, kriegst du Geld von Victorinox für diese Reklame :-)

    Im Ernst: Jetzt, da ich in der CH bin und wieder mal über einen anständigen Internetanschluss verfüge (Chrisch fehlt in Kirgistan), kann ich endlich auch mal lesen und sehen, was ihr tut und wie ihr lebt! Merci für all eure Kommmentare und Berichte. Ist halt schon schön, so in fremden Ländern zu leben, gell!

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  5. Na, viel anders ist es in einem großen globalen Unternehmen ja auch nicht - das bist Du doch gewöhnt :-)) Immer schön Business cases schreiben :o)
    Noch eine Seite: http://www.afrigadget.com/

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